Diagramme für Proportionen

(Bild 16) Das Kunst und Lere Büchlin / Sebalden Behums. Malen und Reissen zu lernen / Nach rechter Proportion / ..., Frankfurt a. M., 1552, SLUB Dresden, Art. plast. 776, fol. E3v
(Bild 16) Das Kunst und Lere Büchlin / Sebalden Behums. Malen und Reissen zu lernen / Nach rechter Proportion / ..., Frankfurt a. M., 1552, SLUB Dresden, Art. plast. 776, fol. E3v
(Bild 17) Hans Baldung gen. Grien, Bildnis des toten Erasmus von Rotterdam, 11./12. Juli 1536, 14 x 14,2 cm, Silberstift auf grundiertem Papier, Inv.Nr. U.I.56, Kupferstichkabinett, Amerbach-Kabinett / Kunstmuseum Basel
(Bild 17) Hans Baldung gen. Grien, Bildnis des toten Erasmus von Rotterdam, 11./12. Juli 1536, 14 x 14,2 cm, Silberstift auf grundiertem Papier, Inv.Nr. U.I.56, Kupferstichkabinett, Amerbach-Kabinett / Kunstmuseum Basel

Dass Dürer und andere Künstler sich mit Konstruktionsgerüsten behalfen, ist nicht belegt. Doch es gibt einen Hinweis in dem 1528 in Nürnberg erschienenem Pferde-Lehrzeichenbuch "Die Proporcion der Ross" von Hans Sebald Beham (1500 - 1550). Zwar war es aufgrund von Plagiatsvorwürfen sogleich beschlagnahmt worden, Beham integrierte seine Hinweise aber später in "Das Kunst und Lere Büchlin" von 1546 / 1552. Er war der Meinung, man müsse für die Kunst wieder die Zirkelmessung und die Arbeit mit den Hilfslinien lehren.  

 

Beham empfahl, Proportionsdiagramme mit neun Feldern aufzubauen. Innerhalb der Rasterung waren weitere unterteilende Hilfslinien und eine Diagonale zu ziehen sowie auf genau ausgewiesenen Linien "Pünctlein" zu setzen. Von letzteren aus sollten die Schläge eines Zirkels bestimmte Kontursegmente eines Pferdes vorbilden, die später zur ganzen Umrisslinie des Tierkörpers ergänzt würden. [1]

 

Einen weiteren Hinweis auf die tatsächliche Verwendung der für Dürer vorgestellten  Konstruktionsverfahren liefert eine Zeichnung von Hans Baldung gen. Grien (1484 oder 1485 - 1545) mit dem Bildnis des toten Erasmus von Rotterdam. In seiner Studie legte Baldung über den Kopf des Verstobenen eine (unregelmäßige) Rasterung. Er schrieb ihr einen Kreis ein und kreuzte sie mit Diagonalen. 

 

Zudem findet sich bei dem italienischen Bildhauer und Kunsttheoretiker Lorenzo Ghiberti (1378 - 1455) eine Spur zu Rastern für Köpfe. Im dritten Kommentar der unvollendet gebliebenen "Commentarii", in denen von einem Modulsystem für den Körper eines Mannes die Rede ist, heißt es: (...) wir beginnen mit den Maßen des Kopfes und zeichnen jeden Abschnitt davon in seiner Höhe und unterteilen besagten Kopf in neun Quadrate (...).[2] 



[1] Boris RÖHRL, Die Transformation der mittelalterlichen planimetrischen Proportionsschemata zu den neuzeitlichen empirischen Proportionslehren, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 39 (2012), S. 77-92.

 

[2] Der dritte Kommentar Lorenzo Ghibertis. Naturwissenschaften und Medizin in der Kunsttheorie der Frührenaissance. Eingeleitet, komm. und übers. von Klaus BERGDOLT, Weinheim 1988, S. 554, Z. 14-16: " (...) cominceremo alle misure della testa et cosi explicheremo per l'altitudine ogni sua parte, partiremo in quadri nove detta testa (...)."